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Schneiden mit der Kamera

Eigentlich redet man vom Schnitt, und meint damit, dass später in der Editing- suite, oder am Schneidetisch, oder wo auch immer, der Film mit Hilfe von Schnitt in die Form gebracht wird, wie man ihn endgültig haben möchte. Das geht natürlich nur mit Einstellungen, die auch in der Form vorliegen, dass man sie sinnvoll aneinander schneiden kann. Ich rede deshalb von Schnitt mit der Kamera, womit gemeint ist, dass ich versuche, diese Einstellungen vor Ort schon in dieser Form zu machen, dass die Sachen praktisch schon mehr oder weniger geschnitten sind, dass die Abfolge der einzelnen Abbildungsgrößen, wenn es irgend möglich ist, schon in dieser Art und Weise erfolgt, wie sie später im Schnitt zu verwenden ist, oder verwendet werden soll. Wenn man sich das angewöhnt und es trainiert, und das muss man trainieren, einfach in Abbildungsgrößen zu denken, dann erleichtert das den Schnitt ungemein, weil einem ganz einfach keine Einstellungen fehlen, oder die Wahrscheinlichkeit relativ gering ist, dass einem Einstellungen fehlen. Es kommt auch noch ein anderer Punkt dazu. Man kann sich viel besser dem Rhythmus anpassen, an den Rhythmus, den eine Sache in sich selbst hat. Und für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass ein Film später in einer gewissen Art und Weise den Rhythmus einer Sache auch wiederspiegelt. Das ist eine Sache, die kann man im Schnitt künstlich erzeugen, aber man kann sie eigentlich nur dann gut erzeugen im Schnitt, im späteren Schnitt, wenn man das mit der Kamera entsprechend vorbereitet hat. Das hat etwas mit Schwenkgeschwindigkeiten zu tun, das hat etwas mit Einstellungslängen zu tun, das hat auch etwas damit zu tun, ob man vielleicht eine so genannte Plansequenz macht, das heißt, den Schnitt mit der Kamera durchführt, ohne die Kamera anzuhalten und eigentlich nicht davon ausgeht, dass das später geschnitten wird, aber die Einstellungsfolge schon bei laufender Kamera so ist, wie man sie eigentlich später künstlich im Schnitt erzeugen würde. Als Beispiel könnte ich aufführen, Aufnahmen, die ich auf Sumatra gemacht habe, am Toba See bei den Toba Batak, wo es um Rituale ging. Und ganz besonders bei Ritualen ist das eine Aufnahmeart, die sehr günstig anzuwenden ist. Bei handwerklichen Filmen oder anderen mehr konstruierten Filmen ist das eine andere Geschichte, aber gerade bei Ritualen, weil Rituale laufen in sich selber ab, Rituale haben eine Dramaturgie, die aber innerhalb des Rituals ist und dieser Dramaturgie zu folgen mit der Kamera und daraus dann eine Plansequenz zu machen, indem man die Höhepunkte innerhalb dieser Dramaturgie, innerhalb des Rituals, praktisch direkt herausarbeitet. Dort war das so, am Toba See bei den Toba Batak. Diese Rituale sind eigentlich Tänze, und Tänze, die aber mehr ausdrücken, als nur ein Tanz zu sein, sondern eben ein Ritual sind. Und da kommt noch erschwerend hinzu, dass man ja eine Musik hat. Wenn man dort nicht mit einer Plansequenz arbeitet, die nicht die Folge unterbricht, und Einzeleinstellungen machen würde, hätte man hinterher, wenn man synchron bleiben möchte, hat man hinterher das große Problem, auch Tonschnitt machen zu müssen. Das ist nicht nur eine technische Frage, einen ordentlichen Tonschnitt zu machen, sondern es ist auch eine inhaltliche Frage, weil diese Musikstücke einen ganz bestimmten Charakter haben und da muss man schon die Hilfe eines Musikwissenschaftlers haben, um gerade bei Musik in anderen ethnischen Gruppen, auch den Tonschnitt so anlegen zu können. Also alles spricht in diesem Fall tatsächlich für eine Plansequenz und die längste Plansequenz, die ich gedreht habe, das war dort bei den Toba Batak, ist eine durchgehende Einstellung von 10 Minuten, die aber Schnitte in sich hat, nur keine Schnitte am Schneidetisch, sondern Schnitte mit der Kamera. Ich habe, wenn ich mich richtig erinnere, fünf oder sechs Mal den gesamten Platz überquert, innerhalb der tanzenden Gruppe, und habe die entsprechenden Highlights entsprechend rausgepickt.