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Ethnographischer Film

Kulturwissenschaftlicher Film, ethnographischer Film, Film-Genres, die sich schwer definieren lassen. Methodischen Grundlagen zu "Filming Culture" wurden zunächst im Zusammenhang mit dem ethnographischen Film geschaffen. Ein Blick in die Anfänge des ethnographischen Films, in die Zeit der Pioniere und die Zeit der Diversifikation ist für ein tieferes Verständis der Entwicklung der Methoden nützlich.

Ethnographische Filme werfen filmtheoretische Diskussionen auf und provozieren zugleich Fragen zu ethnologischen Theorien. Dieser Zusammenhang wird selten diskutiert, auch wenn er nicht zu übersehen ist. Sowohl die Fragestellung der Filme als auch die filmische Umsetzung sind vor dem Hintergrund ethnologischer Traditionen zu betrachten.

Hinsichtlich der filmischen Umsetzung kann das Filmen zudem selbst als eine Erweiterung der ethnologischen Methode betrachtet werden: Es bedient sich der Erkenntnisse der ethnologischen Feldforschungsmethode. Während des Filmens, der Filmbearbeitung und der Filmanalyse werden die Forschungsmethoden und die Methoden des Filmens immer weiterentwickelt.

 

Ethnographischer Film - was ist das?

Solange es Film gibt, gibt es auch "Ethnographischen Film". Der Begriff "Ethnographischer Film" suggeriert eine klare Definition und Abgrenzung von anderen Genres. So einfach ist es allerdings nicht.
"Dokumentarfilm, nichtfiktionaler Film, Reality TV, ethnographischer Film, Verhandlungen im Gerichtssaal, performative documentary, historischer non-fiction Film und die Genealogie von Dokumentarfilm selbst spotten jeder einfachen Definition und widerstehen jeder statischen Identität. Sie wandeln sich und sie wandeln sich als Teil eines historischen Ganzen, das sich auch in einer Weise wandelt, die wir nicht kontrollieren können, die wir aber versuchen müssen zu verstehen und mitzugestalten." (Nichols 1994:XIII)
Ethnographischer Film als Variante des Dokumentarfilms, ist es das? Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht, ein Hinweis darauf, dass es sich hier um ein komplexes Methodengebäude handelt. Hilfreich ist Weinbergers Versuch einer Definition:
"Ethnos, "Volk"; graphe, "Schrift, Zeichnung, Darstellung". Ethnographischer Film also: "eine Darstellung eines Volkes im Film". Eine Definition ohne Schranken, ein Prozeß mit unbegrenzten Möglichkeiten, ein Artefakt mit zahllosen Variationsmöglichkeiten." (Weinberger 1995:62)
Geht man davon aus, dass die Ethnologie insbesondere im interkulturellen Kontext Inhalte vermitteln will, ist es sicher sinnvoll David MacDougall (MacDougall and Taylor 1998) zu folgend, der heute vom "Transcultural Cinema" spricht.
Und was sind ethnographische Filmer?
"Es gibt einen Stamm, dessen Angehörige sich für unsichtbar halten: die Ethnographischen Filmer. Wenn sie, mit Maschinen beladen, Kabel hinter sich her schleifend, einen Raum betreten, in dem ein Fest gefeiert wird, in dem Kranke geheilt oder Tote betrauert werden, dann bilden sie sich ein, sie würden nicht bemerkt - oder man werfe ihnen allenfalls einen Blick zu und wende sich dann wieder den eigenen Angelegenheiten zu.
Außenstehende kennen sie kaum, denn ihre Heimat liegt in den teilweise noch nicht vermessenen Regenwäldern der Dokumentation. Wie andere Dokumentaristen fristen sie ihr Dasein als Jäger und Sammler von Informationen. Von anderen Angehörigen ihrer Gruppe unterscheiden sie sich jedoch: sie verschlingen ihre Informationen roh.Ihre Kultur ist einzigartig, denn Weisheit wird bei ihnen nicht von Generation zu Generation weitergegeben: immer aufs neue müssen sie selbst entdecken, was ihre Ahnen schon wußten. Mit dem Rest des Waldes halten sie kaum Kontakt und übernehmen technische Neuerungen nur langsam. Ihr Produkt ist nur selten im Handel erhältlich und wird fast ausschließlich von ihnen selbst verwendet. Es wird in großen Mengen produziert; die Überschüsse werden in großen Archiven gelagert.
Sie verehren eine erschreckende Gottheit namens Realität, deren ewiger Feind ihr böser Zwilling ist, die Kunst. Gegen dieses Übel, so glauben sie, könne man sich nur wappnen, indem man sich einer Reihe von Methoden bedient, die auch als Wissenschaft bekannt sind. Ihre Kosmologie ist jedoch nicht unumstritten: Jahrzehntelang stritten sie erbittert untereinander über das Wesen ihrer Gottheit und wie ihr am besten zu dienen sei. Die werfen sich gegenseitig vor, insgeheim seien sie Anhänger der Kunst; die schlimmste Beleidigung in ihrer Sprache lautet "Ästhet.
" (Weinberger 1995:62)
Warum Ethnographischer Film?
Warum Film als Teil der Ethnographie?
      • Dokumentation von Ereignissen (Wiederholbarkeit)
      • Diskussion von wissenschaftlichen Fragestellungen
      • Präsentation von Zusammenhängen (für eine breitere Öffentlichkeit)
      • Förderung der interkulturellen Kommunikation
        – Protagonisten/Zuschauer (westlich)
        – Protagonisten/Filmemacher
      • Als Methode der ethnologischen Forschung

Literatur: Crawford and Turton 1992; Heider 1976; Hockings 1975; Rollwagen 1988