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Selbstregie

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Filmbeispiel aus:

Manfred Krüger: Im Abspann eines Filmes kann man oft lesen: Regie. Worüber eigentlich nie die Rede ist, ist über die Selbstregie, nämlich die Selbstregie der Akteure. Man kann eigentlich bei allen Aufnahmen, wenn man sensibilisiert ist dafür, merken, dass von dem Moment an, wo die Menschen vor der Kamera diesen Film auch zu ihrer Sache gemacht haben, ein Punkt, den man versuchen sollte, immer zu erreichen, anfangen selbst Regie zu führen. Ich glaube, man macht einen großen Fehler, wenn man versucht, diese Selbstregie zu unterbinden. Weil sie führt einen in ein Feld, an das man in der Regel gar nicht gedacht hat, oder häufig gar nicht gedacht hat. Weil plötzlich kommt es zu der Situation, dass die Menschen anfangen das zu sagen und vielleicht auch das zu machen, was ihnen wichtig ist. Und das hat plötzlich eine ganz andere Qualität, als das, was dem Filmemacher wichtig ist. Und wenn man dann versucht, eine Balance zu finden, zwischen dem, was einem selber wichtig ist und dem, was den Akteuren wichtig ist, dann kann dabei ein recht netter Film herauskommen. Ein Beispiel, auch aus Mexiko, aus Nahuatzen, dort war das ein Film über eine Weberin. Und diese Weberin die saß, so hatten wir das beobachtet, eigentlich immer so vor dem Eingang ihres Hauses und hat gewebt und zwar das traditionelle Kleidungsstück, den Rebozo, der Mexikanerinnen. Und die saß dort und darüber wollten wir einen Film machen. Aber irgendwie fand sie das nicht gut, dass sie da alleine sitzt und dann hat sie ihren Freundinnen Bescheid gesagt. Und dann tauchten plötzlich ihre Freundinnen auf. Und dann kam etwas, was den Film aus meiner Sicht sehr locker macht, dann fand nämlich auch Small- Talk zwischen denen statt. Das heißt, sie haben sich darüber unterhalten, wo wieder ein Stier weggelaufen ist und wer dann da mit wem im Dorfe anfängt, da irgendwelche Liaisonen einzugehen und all so lauter verschiedene Sachen wurden dann plötzlich im Small- Talk parallel dazu durchgeführt, oder fanden daneben statt. Und der Film kriegte auch eine ganz andere Qualität. Es wurde weiterhin dieses Kleidungsstück gewoben, daran hat sich nichts geändert. Und auch das Fragen, dort war eine Ethnologin dabei, die der einen Frau Fragen gestellt hat. Und die hat teilweise diese Fragen beantwortet, aber teilweise hat sie dann auch Fragen nicht beantwortet, sondern hat ganz einfach Antworten gegeben, wo man deutlich merkte, das war ihr wichtig zu sagen. Ein weiteres Beispiel zur Selbstregie der Akteure: Es ist uns wichtig, dass in der Gruppe auch ein Einheimischer drin ist, der auch die verschiedenen Fragen, die man dann an einen Menschen stellt, mit durchdenkt und eventuell ergänzt. Als Beispiel kann man gut nehmen einen Film über eine Töpferin in Burkina Faso im Lobi- Land, wo der Interviewer ein Einheimischer war, ganz genau genommen sogar ein Nachbar von ihr, dem wir gesagt hatten, welche Fragen er stellen sollte. Es war auch eine Notwendigkeit, weil keiner von uns die Sprache, die Lobi- Sprache, sprach, und die Frau, die ältere Frau, nur diese Sprache sprach. Wir haben also mit ihm ausgemacht, was für Fragen er stellen sollte und hatten ihm gesagt, o.k., aber wenn noch irgendwelche anderen wichtigen Fragen sind, dann soll er sie dazu tun und das hat er getan. Und ich muss sagen, für mich persönlich sind diese Fragen, die er dazu getan hat, fast die interessantesten Fragen. Noch dazu, wo es teilweise auch Fragen waren, die wir uns gar nicht getraut hätten zu stellen, weil man kommt da wieder auch noch auf eine ganz andere Ebene, nämlich auf die Ebene, dass man sich in einer anderen Kultur bewegt, wo bestimmte Fragen tabu sind und das sind nicht die gleichen, die bei uns tabu sind. Man setzt natürlich voraus, dass der Wissenschaftler genau diese Punkte weiß, aber dann stellt man natürlich auch eine solche Frage nicht, die mit einem solchen Tabu belegt ist. Er hat sie aber gestellt. Er hat zum Beispiel nach den Ahnentöpfen gefragt, ab wann sie diese Ahnentöpfe machen darf und dann hat sie gesagt, also dann, wenn ihre Menopause eingetreten ist. Und der gedankliche Hintergrund, den sie dann erklärt hat, war, weil sonst ihr Blut sich mit dem Lehm für die Töpfe mischen würde, und dann der Altartopf keine Funktion hätte, keine sakrale Funktion ausüben könnte.

Die Akteure eines Films spielen hinsichtlich der Regie eine bedeutende Rolle. Sie sind keine Gegenstände, die abgefilmt werden. Die Akteure sind die zentralen Darsteller im Film, ihr Handeln bestimmt letztlich den Filminhalt

"..., the interaction between traditional ideas, a new technology and filmmakers resulted in completely unprecedented situations which the Ilparakuyo could successfully manipulate." (Biella 1988:59; siehe auch Biella 1988:56).

Es gibt wohl keinen ethnographischen Film, in dem die Akteure nicht selbst in die Regie eingegriffen hätten. Die Möglichkeiten der Selbstregie hängen im Wesentlichen von dem Freiraum ab, der durch das Filmteam geschaffen wird (Vergl. Keifenheim 1987:77), bzw. von der Kameraarbeit, d.h. ob z.B. lange oder kurze Einstellungen gedreht werden (Asch 1992:199).

Es gibt eigentlich keinen Moment, in dem nicht Selbstregie stattfindet. Selbst das konzentriert natürlich sein, beinhaltet eine bewußte Inszenierung des eigenen Bildes. Wesentliche Elemente sind: